Ich hab mal gelesen, dass wir Menschen eigentlich das langsamste Lebewesen auf der Erde sind. Damit ist nicht unsere Gehgeschwindigkeit gemeint, sondern unsere Entwicklungsfähigkeit. Es gibt kaum ein Lebewesen, dass so lange braucht, um mehr oder weniger selbstständig zu funktionieren (eigentlich ist dies nie der Fall, da wir ja von unserem sozialen und gesellschaftlichen Leben abhängig sind). Diese Tatsache ist irgendwie ein Widerspruch zu unserem gesellschaftlichen Funktionieren. Wir haben uns als Gesellschaft, kulturell so entwickelt, dass wir sehr schnell unterwegs sind. Unsere Entwicklung, der sogenannte Fortschritt, ist in einem rasanten Tempo unterwegs. So schnell, dass wir kaum mithalten können und die Entwicklung, die wir wahrnehmen, ist nur ein Fragment des Gesamten.
Auf einer Zugreise nach Hamburg, ich hatte keine Lust zu lesen, keine Lust Musik zu hören oder mich irgendwie mit meinem Smartphone abzulenken (geht auch nicht mehr so gut!!!, aus Selbstschutz habe ich die sogenannten sozialen Medien verband), also schaute ich aus dem Fenster und genoss den Blick in die Landschaft. Wenn ich versuchte mich zu konzentrieren und zu schauen, was ich alles sehe, fiel mir auf, dass natürlich viele Details verloren gingen, denn meine Augen beziehungsweise mein Gehirn war zu langsam, um alles festzuhalten. Es erschien mir wie eine Langzeitbelichtung, wo vielleicht noch ein Detail hervor quillt, aber die Bewegung in der Unschärfe versinkt. Einzelne Details konnte ich erfassen, doch das Grosse und Ganze blieb mir eigentlich verborgen (visuell gesehen oder auch im Ganzen?).
Da ich dennoch ein relativ kultiviertes Smartphonkind bin und in dieser Gesellschaft gross geworden bin, konnte ich es mir nicht verkneifen und griff zu meinem Smartphone und experimentierte mit der Kamera. Es gelang mir vorbeiziehende Landschaften einzufangen, wie ich finde, mit einer surrealen Anmutung. Aus diesem Herumexperimentieren sind diese Fotos entstanden, die in dieser Serie zu sehen sind. Oft sind sie sehr verschwommen, es gibt Fragmente, die wir erkennen oder erahnen können. Ich könnte mir vorstellen, dass sie unserer Wahrnehmung näher sind, als wir denken. Ist unser Hirn denn wirklich in der Lage, unsere Realität mit dieser physischen, geschäftlichen und kulturellen Geschwindigkeit überhaupt zu erfassen? Oder sind es nur Fragmente die wir zu unserer Realität zusammen bauen?